Ich muss gestehen, dass mir das Gefühl, Teil einer Mannschaft zu sein, in der Anfangszeit meiner Rückkehr nach Graz im Jahr 2011 wirklich abging. Davor hatte ich in meiner Zeit als Pressesprecher beim LASK eine intensive Zeit mit sportlich weniger „Ups“ und mehr „Downs“ erlebt, in London war ich als Nachwuchscoach im CSR-Projekt des FC Arsenal Teil von einer sinnvollen Initiative gewesen und meine Zeit davor beim 1. FC Kaiserslautern war einfach „Herzblut“ pur. In diesem Beitrag erfährst du, wie ich versuchte, den österreichischen Frauen-Fußball endlich aus dem medialen Dornröschenschlaf zu wecken.
Man darf das jetzt nicht falsch verstehen. Die Arbeit mit meiner PR-Agentur SPORTPLUSPR machte mir großen Spaß, ich arbeite mit tollen Menschen zusammen und unterschiedlichste Projekte gaben mir die Chance, meinen Horizont ständig zu erweitern. Aber Teil einer Sportmannschaft zu sein und gemeinsam mit Trainer:innen und Spieler:innen Erfolg und Misserfolg mitzuerleben, ist einfach eine extrem emotionale und auch schöne Sache. Und mir fehlte das Adrenalin, das einem vor allem an den Spieltagen durch den ganzen Körper schoss.
Das war der Grund, warum ich im August 2011 den Kontakt zur Frauen-Bundesliga-Mannschaft von LUV Graz suchte. Der Verein war mir kein Unbekannter, ich hatte schon in meiner Zeit bei der „Kronen Zeitung“ den einen oder anderen Spielbericht über ihn verfasst – wobei man fairerweise sagen muss, dass das zur damaligen Zeit eigentlich vor allem dann passierte, wenn aufgrund einer Länderspielpause einige Männer-Ligen pausierten und man den Platz im Sportteil mit anderen Stories auffüllen musste. Ansonsten fand man in Tageszeitungen bestenfalls ein Ergebnis der höchsten Frauen-Liga.
Inzwischen waren zwar ein paar Jahre vergangen, aber der Sport befand sich – vor allem in Österreich – noch immer im Dornröschenschlaf.
Eine Herausforderung als Chance
Genau darin sah ich auch das große Potenzial des Sports. Und der Frauenfußball hatte mich nie ganz losgelassen. In meiner Zeit bei der TV-Sendung „Tackling“ in München, wo ich u.a. auch für die Auswahl der Studio-Gäste zuständig war, verschaffte ich der österreichischen – zu dieser Zeit leider verletzten – FC Bayern-Spielerin Viktoria Schnaderbeck einen Platz auf dem Gäste-Sofa.
In meiner Zeit in England trainierte ich im Rahmen eines CSR-Projekts von Arsenal Mädchen-Teams und auch in meiner Zeit beim LASK sorgte ich dafür, dass das Frauen-Team in den Vereinsmedien ihren Platz hatte. Und mit Ex-Schweiz-Legionärin Kathi Pregartbauer stand bei LUV Graz dazu eine Spielerin im Kader, die im Gymnasium in meine Parallelklasse gegangen war.
Der Verein LUV Graz hatte Geschichte – sowohl im Männer- und im Frauen-Fußball. 1991 kämpften sich die Herren nach Siegen über LASK und Sturm Graz bis ins ÖFB-Cup-Semifinale vor, wo erst Rapid Wien dank eines Herzog-Treffers vor 5.500 Zuschauern in Liebenau ihren Erfolgslauf stoppen konnte. Bei den Frauen spielte der Verein erstmals 1978 in der vom Wiener Fußballverband ausgerichteten Damenliga Ost, der damals höchsten Spielklasse in Österreich, bereits ein Jahr später konnte der Sieg im Cup bejubelt werden. 1982 wurde die Frauen-Bundesliga offiziell gegründet und 1986 wurden die Grazerinnen erstmals Vizemeister.
Wenn man die Infrastruktur sah, konnte man annehmen, dass die besten Jahre allerdings schon etwas zurückliegen mussten. Der „LUV-Platz“ in der Grazer Grottenhofstraße wirkte wie ein Relikt aus einer anderen Zeit, ein Platz für Nostalgiker und Fußball-Romantiker. Dazu das in die Jahre gekommene Klubhaus, ein kleines Stück Wiese geschmückt mit Maulwurfshügeln, das zum Trainieren herhalten musste und die Leute in kurzen weißen Hosen, die regelmäßig daran vorbeispazierten, um zu den Tennisplätzen des Vereins zu gelangen.
Wertschätzung ersetzt Gagen
Aber der Verein hatte vor allem eines – und das war Herz. Das sah man täglich, wenn man sich auf der Anlage befand. Der Klub lebte von den vielen guten Geistern und ehrenamtlichen Helfern, die sich um die Kantine, die Wäsche, den Platz und vieles mehr kümmerten. Das war ein gravierender Unterschied zu den Klubs, mit denen ich vorher zusammengearbeitet hatte, machte aber auch einen besonderen Charme aus und man konnte gar nicht anders, als sich als Teil einer großen Familie zu fühlen.
Anfangs gab es allerdings auch erstaunte Gesichter, die sich nur schwer erklären konnten, warum jemand, der im Profifußball gearbeitet hatte, nun in den Frauenfußball wechseln wollte. Denn trotz Bundesliga-Teams und Spitzensportförderung war LUV Graz ein reiner Amateurverein. Ich sah das aber als Vorteil und es machte Spaß, strategisch und operativ arbeiten zu können. Und es war auch nicht so, dass man ganz bei Null anfangen musste. Mit Mariella Rappold und Conny Haas hatte LUV zwei aktuelle ÖFB-Teamspielerinnen in ihren Reihen.
Mittelfeldspielerin Rappold war 2011 von den Leserinnen der „Grazer Stadtzeitung G7“, ein Projekt der „Kleinen Zeitung“, vor Sturm Graz-Legende Mario Haas zur „Grazer Sportlerin des Jahres“ gewählt worden, Stürmerin Conny Haas wurde im selben Jahr von der Vereinigung der Fußballer (VdF) mit dem „Bruno“ als beste Spielerin in Österreich ausgezeichnet.
Das waren schöne individuelle Erfolge, von einer kontinuierlichen Berichterstattung konnte zur damaligen Zeit aber nicht gesprochen werden. So konzentrierte ich mich anfangs auf klassische Pressearbeit und versorgte vorwiegend steirische Medien regelmäßig mit Aussendungen, Spielvorschauen, Matchberichten, Fotos oder organisierte Interviews. Die Unterstützung wurde dankend angenommen und spiegelte sich auch in der gesteigerten und regelmäßigen Berichterstattung wider.
Mich freute das nicht nur, weil es zeigte, dass die Medienstrategie Früchte trug, sondern weil ich es als wichtig empfand, dass der Einsatz der Spielerinnen, von denen viele noch zur Schule gingen oder studierten und in der Frauen-Bundesliga kaum mehr verdienten als vergleichsweise Männer in der letzten Spielklasse, auch von der breiten Öffentlichkeit geschätzt wurde.
Viel Luft nach oben
Eine Anekdote, die gut verdeutlicht, wo der Frauenfußball damals medial stand, ist das EM-Qualifikationsspiel der ÖFB-Frauen gegen Armenien, das im Oktober 2011 in Bruck über die Bühne ging.
Nachdem mit Mariella Rappold eine LUV-Spielerin nachnominiert wurde und mit Schnaderbeck, Wenninger, Höller, Tieber, Manhart und Tasch insgesamt sieben Spielerinnen einen LUV- oder Steiermark-Bezug aufweisen konnten, schickte ich darüber im Vorfeld des Spiels eine Info an die Medien mit einem Foto der sieben Spielerinnen, das eine Mitspielerin mit dem Handy gemacht hatte.
Die Reaktion war nicht nur, dass jede steirische Tages- und Wochenzeitung die Story brachte, es meldete sich sogar der ORF bei mir, da sie gerne Interviews mit den Spielerinnen machen wollten. Auf die Frage, warum sie deshalb nicht mit dem ÖFB in Kontakt standen, kam als Antwort, dass es dort niemand von der Presseabteilung gab, der beim Frauen-Team dabei wäre und dass sie sich ich aufgrund meiner Medienarbeit für LUV Graz gedacht hätten, dass ich ihnen am ehesten weiterhelfen konnte. Ich unterstützte sie natürlich gerne dabei, aber dieses Erlebnis aus dem Jahr 2011 verdeutlichte, wie viel Arbeit der Sport in Österreich noch vor sich hatte.
Nachdem ich den Verantwortlichen des ÖFB in einem Meeting in Wien darauf aufmerksam gemacht hatte, wie gut die Medien die Aussendungen von LUV annahmen und dass sie durch Medieninfos über Länderspiele auch den ÖFB-Frauen mit einfachen Mitteln mehr mediale Präsenz verschaffen konnten, setzte ein Umdenken ein und nach und nach verbesserte sich die Medienarbeit im österreichischen Frauenfußball, was sich in weiterer Folge auch positiv auf die mediale Berichterstattung auswirkte. Faszinierende Geschichten gab es ja zur Genüge, sie mussten einfach richtig erzählt und vor allem gehört werden.