Ich hatte das Glück, schon früh in meinem Leben auf Menschen zu treffen, die mich dabei unterstützten, meine Talente zu erkennen und sie entsprechend zu fördern. Dieses Thema hat mich im weiteren Verlauf meiner Karriere stets begleitet – nur in einer vertauschten Rolle: Jetzt war ich derjenige, der seine Augen stets offen hatte, für Menschen, deren Potenzial noch im Verborgenen lag und denen ich dabei helfen konnte, ihre Fähigkeiten zu entfalten.
Das begann schon in meiner Studentenzeit an der Uni Graz. Als Studienrichtungsvertreter für Englisch hatte ich regelmäßig im Rahmen der Studienberatung mit jungen Menschen zu tun, die auf der Suche waren. In der wöchentlichen Sprechstunde – die eigentlich mehr ein gemütliches Plaudern im „Common Room“ der Anglistik in der Heinrichstraße war – oder im Rahmen der Erstsemester-Beratung im großen Info-Zelt vor dem Hauptgebäude der altehrwürdigen Karl-Franzens-Universität traf ich auf Kommiliton:innen, Studienanfänger:innen oder Maturant:innen mit den unterschiedlichsten Backgrounds und Motivationen. Ich tat das, was ich immer schon gerne getan hatte: Ich stellte ihnen eine Frage nach der anderen.
Talent ist gut, harte Arbeit ist besser
In der Psychologie würde man „offene Fragen“ dazu sagen, denn es ging mir darum, sie mit zum Nachdenken zu animieren. Denn, so hatte ich mit der Zeit gemerkt, waren Menschen ihre Talente, Leidenschaften oder Ziele eigentlich selbst bewusst, nur taten sie sich oft schwer, sie in Worte zu fassen. Hatte man diesen Punkt erst einmal erreicht, dann fing die eigentliche Arbeit erst an. Denn der Spruch „Harte Arbeit schlägt Talent, wenn ein Talent nicht hart arbeitet“ kommt nicht von ungefähr. Viele der Menschen, die ihre Erfolge ihrem Einsatz, ihrer Ausdauer und ihrer Lernbereitschaft verdanken, waren nicht mit einem großen Talent ausgestattet. Sie haben sich es sich stattdessen hart erarbeitet.
Unabhängig von ihrem Talent, mussten sie dazu aber erst einmal die Chance bekommen. Genau hier kam ich ins Spiel. Ich hatte schon früh begonnen, mir vor allem im Medien-Sektor ein gutes Netzwerk aufzubauen. Dass ich schon mit 16 Jahren begonnen hatte, neben der Schule bei der größten Tageszeitung Österreichs zu arbeiten, war in dieser Hinsicht natürlich sehr hilfreich gewesen, dazu hatten spätere PR-Jobs auch ihren Teil dazu beigetragen. Das brachte mich in die glückliche Lage, jungen Leute nicht nur dabei zu helfen, Talente oder – in dieser frühen Phase – ihre eigenen Interessen zu entdecken, ich konnte ihnen durch meine Kontakte auch eine Brücke legen, um zum Beispiel bei Zeitungen oder Magazinen zu hospitieren oder Praktika zu absolvieren.
Die Voraussetzung dafür war für mich nicht die Frage nach ihrem Talent. Der entscheidende Punkt war, ob sie dafür brannten und ob sie den „Drive“ und die Ambition hatten, sich so in die Aufgabe hineinzubeißen, um das bestmögliche aus dieser Möglichkeit herauszuholen. Selbst wenn sie die diese Erfahrung dazu bringen würde, sich hinterher doch für eine andere Richtung zu entscheiden, sah ich darin eine gute Sache. Denn es ist immer besser etwas auszuprobieren und es dann basierend auf einer reflektierten Meinung sein zu lassen als es gar nicht zu versuchen und dann womöglich ein Leben lang einer verpassten Chance nachzutrauern. Das war auch immer mein „Credo“ und es hat mir geholfen, viele unterschiedliche Erfahrungen zu sammeln und mit ihnen beruflich und persönlich zu wachsen.
Das Märchen vom Perfektionismus
Diese Entwicklung wäre aber auch nicht möglich gewesen, wenn ich nicht auch Fehler gemacht hätte. Klar sind Fehler nicht erstrebenswert, die entscheidende Frage ist aber wie man mit ihnen umgeht. Die Angst, etwas falsch zu machen, ist vor allem bei jungen Menschen oft sehr groß. Das habe ich sehr gut erkennen können, als ich nach meiner Rückkehr aus Katar im Rahmen von Job-Interviews oder Mitarbeitergesprächen mit vielen jungen Menschen zu tun hatte. Die Vertreter der Generation Y und Z, die am liebsten betonen, dass es ihr Anspruch ist, perfekt zu sein. Aber wer beurteilt eigentlich was perfekt ist?
Dass Perfektionismus etwas sehr Subjektives sein kann, lernte ich auch durch meine Arbeit im Sport. Ich erinnere mich gut an ein Gespräch mit dem damaligen Austria Wien-Trainer Frenkie Schinkels, bei dem wir über die Benotungen der Spieler in Tageszeitungen diskutierten. Für ihn waren diese Bewertungen nichtsagend. „Wie soll ein Journalist wissen, mit welcher Aufgabe ich einen Spieler in ein Spiel geschickt habe? Es gibt Spieler, die werden regelmäßig niedrig benotet, obwohl sie in meinen Augen ihre Anweisungen zu hundert Prozent umgesetzt haben. Das ist das, was letztendlich zählt.“ Ein Learning aus diesem Gespräch war definitiv, klar zu kommunizieren, woran Erfolg gemessen wird und regelmäßig konstruktives Feedback zu geben.
Von gegenseitiger Erfahrung profitieren
Meine Zeit als Anglistik-Studienrichtungsvertreter liegt inzwischen viele Jahre zurück. Seitdem habe ich in verschiedensten Positionen in Unternehmen von EPUs bis hin zu Foundations mit Tausenden Mitarbeiter:innen in mehreren Ländern und Branchen unterschiedlichste Erfahrungen gesammelt. Erfahrungen, die ich seit 2021 im Rahmen meiner ehrenamtlichen Tätigkeit als „Career Mentor“ des Alumni Clubs der Uni Graz mit interessierten Student:innen teile, um ihnen dabei zu helfen, ihr Feuer für etwas zu entdecken mit dem sie später in der Lage sind, andere – im positiven Sinn – entzünden zu können.
Das Feuer, Menschen bei ihrer Entwicklung zu unterstützen, wurde bei mir schon vor langer Zeit entfacht. Egal, ob das im Rahmen von Mentoring, durch Praktika, das Erstellen individueller Entwicklungspläne, Maßnahmen zur nachhaltigen Team-Entwicklung oder durch zielgerichtete Vernetzung passiert. Das Beste daran ist, zu sehen, wie Menschen in der Lage sind, etwas zu tun, das sie immer schon gerne tun wollten, dass sie ihre ambitionierten Ziele verwirklichen können und wie es ihnen gelingt, mit ihren Aufgaben weiter zu wachsen. Zu einigen, die ich auf einem Teil ihres Weges begleiten durfte, entstand eine über Jahre anhaltende Verbindung, die nicht nur einen regelmäßigen Austausch ermöglichte, sondern auch die Zusammenarbeit in verschiedenen spannenden Projekten auf der ganzen Welt.